43. LITERARISCHER HERBST: Annegret Liepold - "Unter Grund"

Altes Gefängnis Freising

Do
13. Nov
2025
Beginn
20:00
Veranstaltungsort
Altes Gefängnis Freising
85354 Freising, Deutschland

Die Veranstaltung

„Nazischlampe“ ist ein schlimmes Wort. Kann es aber sein, dass es eine junge Frau aus ihrem geordneten Leben rennen lässt, obwohl es gar nicht auf sie gemünzt war? Franka hat viele Jahre lang die rechtsradikale Phase in ihrer Schulzeit tief in sich verschlossen. Jetzt, da sie als Studienreferendarin eine Schulklasse zum 377. Verhandlungstag im NSU-Prozess ins Oberlandesgericht München begleitet, und ein Schüler Beate Zschäpe mit jenem Schimpfwort belegt, reißt in ihr ein Knoten und sie fährt Hals über Kopf zurück in ihre Vergangenheit. Die spielte sich in einem fränkischen Dorf ab, umgeben von schlammigen Fischweihern, die auch den Lebensrhythmus der Bewohner vorgaben. Warten, bis die Zeit kam, um die Karpfen abzufischen. Und im Übrigen fast genauso wenig reden wie die Fische. Wissen über dunkle Geheimnisse der Nachbarn konnte vorteilhaft sein, wenn man still schwieg, nur hin und wieder ein paar Halbsätze ausstreute.

Die Fuchsin, Frankas Großmutter, hat hineingepasst in diese Wesensart mit ihrer einzelgängerischen Verschlossenheit. Seit Jahren ist sie tot und der Fuchsbau steht kalt und unbewohnt im Dorf. Wohlfühlen konnte sich Franka auch früher nicht darin. Ungelenk und wenig herzlich verläuft dann auch ihre Begegnung mit der Mutter nach so langer Abwesenheit. Der Leser spürt, es gab hier keine sonnige Kindheit und Jugend, und wir begreifen im Laufe des Romans zusammen mit der Protagonistin auch einige Ursachen. Zurück in Elternhaus und Heimatdorf kann Franka den Erinnerungen an jenen WM-Sommer 2006 nicht länger ausweichen.

Der Roman bewegt sich von da an auf zwei Zeitebenen, hauptsächlich in der früheren, als die 16jährige Gymnasiastin nach rechts abbog. Seit der Vater gestorben war – sie war noch ein Kind – hatte sie immer mehr das Gefühl verloren, irgendwo dazuzugehören. In der Pubertät ist ihr inneres Außenseitertum für sie zu einer Gewissheit angewachsen, die sie keinen Augenblick anzweifelt. Sie leidet nicht einmal besonders darunter, nimmt auch hin, dass es im Gymnasium keine Freundschaften für sie gibt. Bis Leon in ihre Klasse und ihr Dorf kommt, ein Großstadtjunge mit Anti-Nazi-Button an der Schultasche, den die Scheidung seiner Mutter aufs Land verschlagen hat. Franka gefällt ihm, gerade weil sie anders ist. Eine zarte Beziehung bahnt sich zwischen ihnen an, die aber für Franka dann doch in Herzschmerz endet. In diesem Verlassenheitsgefühl trifft sie auf Patrick und Janna, ein paar Jahre älter als sie und fest in der rechten Szene verankert. Patrick spricht sie an und nimmt sie mit zu einer NPD-Versammlung. Was da gesagt werde über Ausländer und so, sei eigentlich egal. Es gehe doch um Gemeinschaft und Zusammenhalt. Janna, auf deren alkoholhaltiger Feier zum 18. Geburtstag sie landet, wird zu einer vertrauten Freundin. Und zudem stellt sie fest, dass sie mit diesen Freunden auf einmal Anerkennung in der Dorfgemeinschaft findet. Rechte Gesinnung braucht nicht um Zustimmung zu buhlen im Dorf. Erst als es krass wird, steht Franka wieder allein da.Annegret Liepold, 1990 in Nürnberg geboren, hat Politikwissenschaften und Komparistik in München und Paris studiert.
Für die Arbeit an ihrem Debütroman erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, das Literaturstipendium der Stadt München, eine Einladung zur Schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung. Sie arbeitet für die „Bayerische Akademie des Schreibens“ am Literaturhaus München.

Info

Veranstalter Modern Studio Freising
Veranstalter-Adresse Haxthausen 14, 85354 Freising, Deutschland
Quelle Stadt Freising
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